Über die Bestände

Über die Bestände


Die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek wurde im Frühjahr 2018 durch die Zusammenführung der Bibliotheken des Evangelischen Predigerseminars Wittenberg und des Lutherhauses der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt gebildet. Zudem wurden kleinere Bestände aus der Stiftung Leucorea übernommen. Heimstatt der neuen Bibliothek sind die zweite und dritte Etage des von Grund auf sanierten und für die neuen Nutzungszwecke umgebauten Schlosses Wittenberg.

Mit der Bibliothek des Evangelischen Predigerseminars kamen ca. 160.000 Bände in die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek, darunter große Teile der Bibliothek der 1816/17 mit der Universität Halle vereinigten Leucorea, außerdem mehrere frühneuzeitliche Gelehrtenbibliotheken und die Büchersammlungen verschiedener kirchlicher Einrichtungen, die im 19. oder 20. Jahrhundert aufgelöst wurden. Aus dem Lutherhaus übernahm die Forschungsbibliothek eine aus ca. 60.000 Bänden bestehende Spezialsammlung zur Geschichte und Rezeption der Reformation, in der sich auch mehrere Büchersammlungen prominenter Reformationsforscher des 19. und 20. Jahrhunderts befinden. Bei den Büchern aus der Stiftung Leucorea handelt es sich zumeist um jüngere Forschungsliteratur. Durch Übernahmen und Neuerwerbungen ist der Gesamtbestand mittlerweile auf ca. 230.000 Bände angewachsen (zur Recherche).

Besonderen Wert erhält die Sammlung durch einen Bestand von ca. 100.000 alten Drucken, also Titeln, die vor 1850 erschienen sind, zudem durch rund 500 Inkunabeln sowie eine Reihe wertvoller mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handschriften. Der Sammlungsschwerpunkt liegt auf Drucken der Reformationszeit sowie theologischer, kirchengeschichtlicher und philologischer Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts.

Die Schriften Martin Luthers sind fast vollständig als Erstausgaben vorhanden, darunter die reformatorischen Hauptschriften des Jahres 1520: „An den christlichen Adel deutscher Nation“, „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ und „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Auch Erstausgaben von Luthers September- und des Dezembertestamentes von 1522 sowie der Vollbibel von 1534 liegen als herausragende reformationsgeschichtliche Zeugnisse im Original vor. Darüber hinaus verwahrt die Forschungsbibliothek eine Reihe alter Drucke mit handschriftlichen Marginalien der Wittenberger Reformatoren, die Einblicke in deren Arbeitspraxis und Gedankenwelt erlauben.

Martin Luther: Ein Sermon von der Bereyttung zum Sterben, Wittenberg 1525.
Blick in das Altbestandsmagazin

Doch sind es nicht allein diese besonderen Stücke, die den Sammlungen einen hohen Stellenwert verleihen, sondern auch die außergewöhnliche Dichte der Überlieferung von Wittenberger Drucken und Werken von Angehörigen der Leucorea. An kaum einem anderen Ort ist die Publikationstätigkeit der Wittenberger Reformatoren und der Wittenberger Theologen späterer Generationen, die sich oft als Sachwalter des lutherischen Erbes betrachteten, vergleichbar lückenlos dokumentiert. Darüber hinaus gewähren ca. 25.000 Dissertationen und Disputationen tiefe Einblicke in das akademische Leben an der Leucorea sowie in wissenschaftlich-intellektuelle Entwicklungen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Ein Bestand von mehr als 5.000 Funeralschriften meist mitteldeutscher Provenienz erlaubt facettenreiche Studien zur Sepulkralkultur der Frühen Neuzeit. Insbesondere Zeugnisse dieser Art aus akademischen Milieu sind in großer Zahl vertreten.

Zum Bestand der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek gehören auch das Archiv und die Sondersammlungen des 1816/17 im Augusteum eingerichteten Evangelischen Predigerseminars Wittenberg. Zahlreiche Kulturgüter hat diese Einrichtung bei ihrer Gründung aus dem Besitz der Wittenberger Universität vom preußischen Staat übereignet bekommen. Hierzu zählt eine Sammlung von rund 70 Gemälden. Zumeist handelt es sich um Darstellungen von Reformatoren, Landesfürsten, Professoren der Leucorea, später hinzugekommen sind Portraits der Direktoren des Predigerseminars. In vielen Fällen sind die Portraits dieser Sammlung die einzigen erhaltenen Farbdarstellungen der konterfeiten Gelehrten. Zu den Sondersammlungen gehören aber auch Grafiken und Zeugnisse der literarischen und universitären Kultur in Wittenberg. So ist der goldgewirkte Dichterkranz Friedrich Taubmanns (1565-1613) ebenso erhalten wie alte Siegel, Fahnen und Standarten der Leucorea.

Dichterkranz Friedrich Taubmanns, der 1593 zum Poeta laureatus gekrönt wurde.
Blick in den Freihandbereich

Neben den historischen Beständen bietet die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek rund 130.000 Titel moderner Literatur. Anschaffungsschwerpunkte liegen auf der Reformations- und Kirchengeschichte, der Universitäts- und Bildungsgeschichte, der älteren Wittenberger Regionalgeschichte sowie der Theologie und Religionspädagogik. Wichtige Nachschlagewerke und Handbücher sowie die Werkausgaben der Reformatoren und anderer führender Theologen stehen den Nutzern in einem frei zugänglichen Handapparat zur Verfügung. Im Freihandbereich finden sich außerdem mehr als 700 Fachzeitschriften, Jahrbücher sowie religionskundliche und gesellschaftspolitische Journale.

Weiterführende Literatur: Meinhardt, Matthias (Hrsg.): Die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek Wittenberg. Eine Einladung, Halle (Saale) 2017.