Stipendien

Forschungsstipendien an der RFB

Die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek ist eine 2018 im Wittenberger Schloss eröffnete Studienstätte für die Geschichte und Kultur der Reformation sowie deren Wirkungen und Rezeptionen. Hervorgegangen aus den Bibliotheken des Evangelischen Predigerseminars Wittenberg und des Lutherhauses Wittenberg, verfügt sie über einen Gesamtbestand von 230.000 Bänden, zu dem ein Altbestand von ca. 100.000 Titeln mit einem Schwerpunkt auf Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts gehört. Forschungen zur Reformations- und Kirchengeschichte, zur frühneuzeitlichen Universitäts- und Bildungsgeschichte, zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen lateinischen und deutschen Literatur sowie zur historischen Buch- und Bibliothekswissenschaft können hier auf umfangreiche Quellenbestände und ein breites Feld von Sekundärliteratur zugreifen. Ebenso liegen umfangreiche Graphiksammlungen aus dem Bestand des Predigerseminars vor. Getragen wird die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek von der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, dem Evangelischen Predigerseminar Wittenberg, der Stiftung Leucorea und der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.

Unterstützt von der Evangelischen Wittenbergstiftung, vergibt die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek seit 2019 Stipendien, die Forschungsaufenthalte in der Lutherstadt Wittenberg erleichtern sollen. Zielgruppe sind in erster Linie Doktorandinnen und Doktoranden sowie Postdocs in der Qualifikationsphase. Bewerbungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nach Abschluss der Qualifizierungsphase sind jedoch ebenfalls möglich. Grundsätzlich können nur solche Projekte gefördert werden, für welche die Arbeit mit den historischen Beständen der Forschungsbibliothek in Wittenberg notwendig oder in besonderer Weise sinnvoll ist.

Ein Stipendium umfasst folgende Förderleistungen:

  • € 1.250,- Aufenthaltsbeihilfe pro Monat für maximal 4 Monate,
  • einen separierten und reservierten Arbeitsplatz im Lesesaal der RFB und Unterstützung der Literatur- und Quellenrecherche durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RFB,
  • die Möglichkeit zur Einrichtung eines individuell zusammengestellten Handapparates für die Dauer des Aufenthaltes an der RFB.

Darüber hinaus kann die Suche nach einer geeigneten Unterkunft in Wittenberg unterstützt werden.

Förderungsvoraussetzungen sind:

  • ein Thema oder methodischer Ansatz, für welche die ortsgebundene Arbeit mit Beständen der RFB in Wittenberg von zentraler Bedeutung ist,
  • eine Forschungsfrage zum ausgehenden Mittelalter oder der Frühen Neuzeit, die der Reformation in ihren geschichtlichen und kulturellen Bezügen gilt, 
  • die Bereitschaft zur Vorstellung des Projektes in einer Publikation der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek oder alternativ im Rahmen eines Kolloquiums oder einer Vortragsveranstaltung in Wittenberg und
  • Residenzpflicht in Wittenberg während der Förderung.

Als Bewerbungsunterlagen sind einzureichen:

  • Curriculum Vitae,
  • eine kurze Projektskizze in einem Umfang von 1-2 DIN A 4-Seiten, aus der deutlich wird, dass ein Bezug des Projektes zu den Beständen der RFB besteht,
  • ein Fachgutachten,
  • bei Promotionsprojekten eine Betreuungsbestätigung,
  • Zeugniskopien,
  • ggf. Publikationsliste.

Bewerbungen werden in Deutsch oder Englisch entgegengenommen und sind gebündelt zu einer PDF-Datei zu richten an: sekretariat@rfb-wittenberg.de

Weitere Informationen zur Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek und ihren Beständen finden Sie auf https://www.rfb-wittenberg.de.

Bei weiteren Fragen können Sie sich gern an das Sekretariat der RFB, unter sekretariat@rfb-wittenberg.de oder +49 34 91 50 69-200, wenden.

Die Bewerbungsfrist für Stipendien im Jahr 2025 endet am 06. Januar 2025.

Den englischen Ausschreibungstext können Sie hier herunterladen: 

Stipendiatin an der RFB 2020: Die Germanistin Carolin Geib aus Trier.
© RFB
Stipendiaten des Jahres 2020: Der Historiker Adrian Grave (Halle (Saale)) und der Theologe Dr. John Ashley Null (Oxford).
© RFB

Bislang geförderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

 

2024

Dr. Jürgen Beyer, Tartu (Estland)
Matthias Knutzen (ca. 1646 - nach 1674). Eine kontextuelle Biographie des ersten bekennenden Atheisten Europas

Jan Huber, Bonn
Jakob Strauß (um 1480 - 1527/32). Ein "eigener Kopf" unter den Predigern und Publizisten der frühen Reformation

Hier stellt er sich und seine Forschung an der RFB kurz selbst vor:
"Nach meinem Abitur im Jahr 2016 studierte ich Evangelische Theologie an der Philipps-Universität Marburg und am ‚Theologischen Studienjahr‘ der Dormitio-Abtei in Jerusalem, bis ich im Sommer 2022 die Magisterprüfungen ablegte. In meiner Magisterarbeit beschäftigte ich mich mit der ‚Apokalypse des Pseudo-Schenute‘, einem koptischen Geschichtsbild des siebten Jahrhunderts. Seit Herbst 2022 arbeite ich – betreut von Prof. Dr. Martin Keßler (Universität Bonn) und unterstützt von der ‚Studienstiftung des Deutschen Volkes‘ – an einem Dissertationsprojekt über Leben und Werk des Jakob Strauß (um 1480 bis 1527/33). Jakob Strauß war einer der produktivsten reformatorischen Flugschriftenautoren der 1520er Jahre – und zugleich einer der umstrittensten Theologen der Zeit. Einerseits betrachteten die Zürcher „Proto-Täufer“ ihn neben Andreas Karlstadt und Thomas Müntzer als Hoffnungsträger für eine „alternative“, von den Wittenberger und Zürcher Wegen abweichende Reformation. Andererseits wirkte er Anfang des Jahres 1525 als Visitator in der Gegend um Eisenach im Sinne einer obrigkeitlich geordneten Reformation. Er agierte dabei im Auftrag Herzogs Johanns von Sachsen, dessen Ausweisungsbefehl Thomas Müntzer nur flüchtend zuvorkommen konnte, Andreas Karlstadt und einige seiner Vertrauten im September 1524 aber Folge leisten mussten.Während meines zweimonatigen Forschungsaufenthalts an der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek möchte ich vor allem die Rezeption des Lebens und Werks von Jakob Strauß erforschen. Ich beabsichtige, die in Wittenberg vorhandenen Exemplare von Strauß-Flugschriften auf Annotationen von Lesern, auf Zusammenstellungen mit anderen Drucken und auf Hinweise über Provenienzen zu untersuchen, um bisher ungekannte Reaktionen aus verschiedenen Jahrhunderten ans Licht zu bringen. Es wäre besonders interessant, zu erfassen, ob sie sich dem Vorwurf einflussreicher Stimmen seiner Gegenwart anschließen, Strauß habe mit seinen publizistischen Äußerungen zum Ausbruch des Bauernkriegs in Thüringen beigetragen, oder ob sie – wie einige Stimmen der gegenwärtigen Forschung – theologische Linien von Strauß zu den Zürcher „Proto-Täufern“ und den mitteldeutschen Täufern ziehen. Außerdem erhoffe ich mir neue Einsichten über die Rezeption von Leben und Werk des Jakob Strauß von Funden in den umfangreichen Beständen der historischen Bibliotheken im Wittenberger Schloss."

Gabriele Carlo Bellinzona, Hamburg
Die Missionstheologie von Gisbertus Voetius (1589-1676) und ihre Auswirkungen auf das protestantische Unternehmen zur Ausbreitung des Glaubens im 18. Jahrhundert. Ein interkonfessioneller Vergleich mit dem katholischen Missionswesen derselben Zeit

Vorstellung der Forschungsarbeit: 
Die Missionstheologie von Gisbertus Voetius (1589-1676) und ihre Auswirkungen auf das protestantische Unternehmen zur Ausbreitung des Glaubens im 18. Jahrhundert. Ein interkonfessioneller Vergleich mit dem katholischen Missionswesen derselben Zeit

"Nach einem Studium der Katholischen Theologie und Geschichtswissenschaften an der Universität Mailand sowie Forschungsaufenthalten an der Universität Halle-Wittenberg habe ich 2020 das kompetitive Bewerbungsverfahren um eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am hiesigen DFG-Graduiertenkolleg 2008 „Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit“ erfolgreich durchlaufen. Seitdem schreibe ich meine Dissertationsarbeit zu den interkonfessionellen Beziehungen zu den anderen christlichen Konfessionen, insbesondere zur römisch-katholischen, im Rahmen der dänisch-englisch-halleschen Mission im heutigen indischen Bundesstaat Tamil Nadu (1706–1845), und zwar am ehemaligen dänischen Handelsplatz von Tranquebar. Die deutschen Missionare aus Halle waren unter den ersten Europäern, welche eine große Rolle bei der Vermittlung von Informationen über Indien in Deutschland und weiten Teilen Europas spielten. In diesem Zusammenhang sollte auch der Beitrag des niederländischen Theologen, Gisbertus Voetius (1589-1676), zur Entstehung von Missionsbestrebungen im Protestantismus und ihren Auswirkungen auf die späteren Unternehmungen der pietistisch geprägten Missionare zur Glaubensverkündigung in Südindien berücksichtigt werden. In meinem Forschungsvorhaben an der RFB ist es mein Anliegen, die theologischen Schriften des reformierten Theologen in den Blick zu nehmen, in denen er seine Missionstheologie skizzierte. Sie gelten in der Missionsgeschichte als erster Versuch, eine Theologie der Mission zu entwickeln und sie somit an das protestantische Denken anzulegen und damit das bis dahin entwickelte protestantische Denken zu erweitern."

 

2023

Dr. Eleonora Travanti, Berlin
Antisozianismus als Vorwand für die Konsololidierung der Orthodoxie

Dr. Esther Wipfler, Zentralinstitut für Kunstgeschichte München
Die Illustration des evangelischen Gesangbuchs. Geschichte und Bedeutung

Brady DeHoust, M.A., Texas A&M University
The Voice of God in a New Language: Martin Luther on Conscience, Translation, and Revelation

 

2022

Dr. Hannes Amberger, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Thema: Historische Dynamik und soziale Konflikte im Selbstverständnis des frühneuzeitlichen Fürstenstaats

Dr. Iveta Leitane, Latvijas Universitāte
Thema: Wittenberg als Impulsherd für die theologische Gelehrsamkeit in Livland und Kurland

 

2021

Magdalena Fricke, M. Ed., Forschungszentrum Gotha/Universität Osnabrück
Thema: Theorie und Praxis subversiver Textstrategien im Zeitalter der Aufklärung am Beispiel Gotthold Ephraim Lessings

PD Dr. Andreas Stegmann, Humboldt-Univeristät Berlin
Thema: Die Editionsgeschichte des Augsburger Bekenntnisses von 1572 bis 1930

Dr. Philipp Pilhofer, Humboldt-Universität Berlin
Thema: Die Anweisungsliteratur zum Theologiestudium am Beginn des 17. Jahrhunderts. Ein interkonfessioneller Vergleich

 

2020

John Ashley Null, PhD, University of Oxford
Thema: Theologische Beziehungen Thomas Cranmers zu den Wittenberger Reformatoren

Adrian Grave, M. Ed., Martin-Luther-Univeristät Halle-Wittenberg
Thema: Ein Hort der Orthodoxie? Die theologische Lehre an der Leucorea im Vergleich zu den Universitäten Halle und Göttingen 1733-1813

Carolin Geib, M.A., Universität Trier
Thema: Die handschriftlichen Annotationen des Seidenstickers Hans Plock in seiner 1541er Ausgabe der Luther-Bibel – Eine kultur- und sprachhistorische Untersuchung

 

2019

Dipl.-Theol. Markus König, Humboldt-Universität Berlin
Thema: Johannes Crell – Leben, Werk und Wirkung eines sozinianischen Theologen

Drew Thomas, PhD, University of St. Andrews (UK)
Thema: Counterfeiting Luther: Fraud in the Reformation Print Trade

Dr. Saskia Limbach, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Thema: A Bibliographical Survey of Academic Broadsheets Printed in Wittenberg, 1550-1600

Dr. Johannes Elberskirch, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Thema: Thomas Müntzer im altgläubigen Diskurs – eine katholisch-systematische Perspektive